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Bundeskanzler Merz reist in die Türkei
© Michael Kappeler/dpa
Dass Merz seine Ehefrau mit in die Türkei nimmt, kann als besonderes Zeichen an Erdogan gewertet werden, dass es sich für ihn nicht nur um einen Routinebesuch handelt.
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Merz besucht Erdogan - mit Ehefrau Charlotte

Die Türkei ist in vielen Feldern ein unverzichtbar Partner. Das wird der Kanzler bei seinem Antrittsbesuch in Ankara auch deutlich machen. Schon die Zusammensetzung seiner Delegation ist ein Signal.

Veröffentlicht: Mittwoch, 29.10.2025 14:58

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Reise in die Türkei

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Berlin/Ankara (dpa) - Die Friedensbemühungen in Gaza, der Ukraine-Krieg und die Steuerung der Migration dürften zu den Hauptthemen des Antrittsbesuchs von Bundeskanzler Friedrich Merz in der Türkei zählen. Am Nachmittag brach der CDU-Chef in Berlin zu seinem 23-stündigen Aufenthalt in Ankara auf, wo er am Donnerstag Präsident Recep Tayyip Erdogan treffen wird. 

Schon mit der Zusammensetzung seiner Delegation setzt er ein Zeichen, dass es sich um mehr als einen Routinebesuch handelt. Mit dabei ist überraschenderweise seine Ehefrau Charlotte. Ein rein bilateraler Besuch des Kanzlers in Begleitung seiner Ehefrau ist ungewöhnlich - anders als bei bestimmten Gipfeltreffen zu besonderen feierlichen Anlässen. So hatte Charlotte Merz ihren Mann in den letzten knapp sechs Monaten seit dem Amtsantritt des Kanzlers zum G7-Gipfel nach Kanada und zur Amtseinführung des Papstes nach Rom begleitet.

Für Merz ist es einer seiner wichtigsten Antrittsbesuche. Er will das in den letzten Jahren sehr schwierige Verhältnis mit der Türkei wieder positiv besetzen. Den Ton dafür hatte Außenminister Johann Wadephul vor knapp zwei Wochen bei seinem Besuch in Ankara gesetzt. Die Türkei sei ein «strategischer Partner in allen unseren außenpolitischen Belangen und ein guter Freund», sagte er. «Wir wollen insgesamt eine Positivagenda.» 

Direkte Kritik etwa am um Umgang mit Opposition und Zivilgesellschaft blieb zumindest auf offener Bühne aus. Unklar ist, inwieweit der neue Haftbefehl gegen den türkischen Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu oder die Themen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte insgesamt nun beim Merz-Besuch eine Rolle spielen werden. Die Nichtregierungsorganisationen Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch haben klare Worte von Merz gefordert.

Thema Nummer eins: Der Gaza-Konflikt

Merz und Erdogan hatten sich zuletzt vor gut zwei Wochen bei der historischen Friedenszeremonie für Gaza von US-Präsident Donald Trump in Ägypten gesehen. Die damals besiegelte Waffenruhe ist inzwischen brüchig. In der Nacht zu Mittwoch bombardierte Israel Ziele im Gazastreifen, nachdem dort ein israelischer Soldat getötet worden war. Auch wenn die israelischen Streitkräfte die Waffenruhe nun wieder einhalten wollen - die Lage in Gaza dürfte ein dominierendes Thema bei dem Treffen in Ankara sein. 

Erdogan hat Israel wegen des militärischen Vorgehens im Gazastreifen immer wieder scharf angegriffen und die islamistische Hamas als «Widerstandsorganisation» bezeichnet. Die Türkei hat aber auch eine bedeutende Rolle bei den Verhandlungen zwischen beiden Seiten gespielt. 

Das Nato-Land verfügt über gute Kontakte zur Hamas, deren Funktionäre sich nicht nur in Katar, sondern auch in der Türkei aufhalten. Das Vertrauen, das Erdogan bei der Hamas genießt, könnte bei der Umsetzung der angestrebten zweiten Phase des Abkommens eine wichtige Rolle spielen, bei der es auch um die Entwaffnung der Terrororganisation gehen soll. 

Ukraine-Krieg: Ankara in einer Vermittlerrolle

Die Türkei unterhält auch gute Beziehungen zu Russland und der Ukraine und war schon Austragungsort von Gesprächen zwischen den beiden Parteien. Die Vermittlerrolle bedeutet aber auch, dass sich die Türkei nicht an Sanktionen gegen Russland beteiligt. Im Gegenteil: Ankara bezieht große Mengen an Öl und Gas aus dem Land, dessen Streitkräfte vor mehr als drei Jahren in die Ukraine einmarschiert sind. 

Neue Impulse für die Friedensbemühungen sind von dem Treffen zwischen Merz und Erdogan nicht zu erwarten. Seit Monaten blicken alle darauf, was US-Präsident Donald Trump macht. Zuletzt war ein angestrebtes Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Budapest nicht zustande gekommen. 

Migration: Abschiebung nach Syrien über die Türkei?

In der Flüchtlingspolitik ist die Türkei seit Jahren ein zentraler Partner Deutschlands und der EU. Seit 2016 gibt es ein Abkommen, mit dem Migration von der Türkei zu den griechischen Inseln verhindert werden soll. Im Gegenzug zahlt die EU Milliardenhilfen für die Versorgung von Flüchtlingen, aber auch für den Ausbau der Grenzen. 

Die Türkei hat Millionen Flüchtlinge aus dem ehemaligen Bürgerkriegsland Syrien aufgenommen und unterhält gute Beziehungen zur syrischen Übergangsregierung. Gegebenenfalls könnte die Regierung in Ankara daher auch behilflich bei der Abschiebung syrischer Straftäter ohne Bleiberecht aus Deutschland sein. 

Die Türkei zählt außerdem zu den Hauptherkunftsländern von Asylbewerben in Deutschland. Schon die Ampel-Regierung hatte sich darum bemüht, die Rückführung abgelehnter Antragsteller in die Türkei zu beschleunigen. Derzeit handelt es sich nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge um 22.560 Menschen - knapp zehn Prozent aller ausreisepflichtigen Asylbewerber. 

Rüstungskooperation: Eurofighter-Deal als Durchbruch 

Wegen des türkischen Einmarschs in Syrien 2016 hatte die damalige Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen weitgehenden Rüstungsexportstopp gegen die Türkei verhängt. Die Kehrtwende hatte ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) schon vor einem Jahr vollzogen und wieder militärische Ausfuhren für den Nato-Partner im größeren Stil zugelassen. Die Regierung Merz setzt diesen Kurs nun fort. 

Am Montag wurde mit deutscher Zustimmung und Beteiligung ein Milliardengeschäft über die Lieferung von 20 neuen Eurofighter-Kampfjets abgeschlossen. Ein Deal mit hoher Symbolkraft.

Bei dem Merz-Besuch in Ankara dürfte es nun darum gehen, was sonst noch alles möglich ist. Wadephul sprach während seiner Türkei-Reise von «etlichen Projekten», die vor der Finalisierung stünden. Es sei «selbstverständlich, dass unsere Rüstungsindustrien auf das Engste miteinander kooperieren», sagte er.

Der Fall Imamoglu: Wird er eine Rolle spielen? 

Der abgesetzte Istanbuler Bürgermeister Imamoglu sitzt seit März ohne Anklage in Untersuchungshaft. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte die Inhaftierung damals als «schweren Angriff» auf die Demokratie in der Türkei bezeichnet. Die Kritik aus der Union war schon damals deutlich zurückhaltender. 

Kurz vor dem Merz wurde ein weiterer Haftbefehl gegen Imamoglu verhängt. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner erwartet, dass der Kanzler das anspricht. «Ungeachtet wichtiger bilateraler Themen und gemeinsamer Herausforderungen für Deutschland und die Türkei müssen solche brisanten Punkte selbstverständlich zur Sprache gebracht werden, wenn der Kanzler den türkischen Präsidenten trifft», sagt er.

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© dpa-infocom, dpa:251029-930-221368/3
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Bundeskanzler Merz reist in die Türkei
© Michael Kappeler/dpa
Die Friedensbemühungen in Gaza, der Ukraine-Krieg und die Steuerung der Migration dürften zu den Hauptthemen des Antrittsbesuchs von Bundeskanzler Friedrich Merz in der Türkei zählen.
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Bundeskanzler Merz reist in die Türkei
© Michael Kappeler/dpa
Merz' Frau Charlotte war bislang beim G7-Gipfel und bei der Amtseinführung des Papstes in Rom dabei.
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