Protest in Bochum: Apotheken und Hausarztpraxen zu!

Viele Apotheken und Hausarztpraxen in Bochum bleiben am Mittwoch (15.11.) geschlossen. Im Westen findet ein Protesttag gegen die Gesundheitspolitik in Berlin statt. Auch die Bochumer beteiligen sich daran. In Dortmund gibt es eine Kundgebung, währenddessen läuft in Bochum der Betrieb überwiegend im Notdienst. Welche Probleme die Apotheken und Hausarztpraxen in Bochum haben und was sie von den Politiker:innen in Berlin fordern, lest ihr hier.

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Bochum: Apotheken und Hausarztpraxen protestieren!

Viele Apotheken und Hausarztpraxen gehen am Mittwoch (15.11.) in den Notbetrieb. Sie protestieren gegen die aktuelle bundesweite Gesundheitspolitik. Die würde es den Apotheken und Hausarztpraxen nicht leicht machen, es geht um finanzielle Probleme genauso wie Personalmangel. Deshalb fahren viele Apotheker:innen und Hausärzt:innen zu einer Kundgebung nach Dortmund. In Bochum läuft währenddessen ein Notdienst. Wenn ihr Medikamente braucht, findet ihr hier eine Liste an Notfallapotheken. Wenn ihr dringend zum Arzt müsst, aber eure Praxis geschlossen hat, könnt ihr die Notdienst-Hotline 116 117 wählen.

Apotheken in Bochum: Finanzielle Probleme und Medikamenten-Engpässe

Die Apotheken in Bochum haben große finanzielle Probleme. Unter anderem sei das Honorar für herausgegebene Medikamente seit Jahren nicht erhöht worden. Seit zehn Jahren ist das Honorar gleich. Dagegen sind aber zum Beispiel die Personal- und Energiekosten immer höher geworden. Dieses finanzielle Ungleichgewicht hat große Auswirkungen, sagt die Bochumer Apothekensprecherin Inka Krude. Jeden Tag würden in Deutschland zwei Apotheken komplett schließen. Gleichzeitig seien die Medikamenten-Preise in Deutschland sehr günstig. Das führe dazu, dass die Medikamenten-Hersteller nicht viel Geld an der Belieferung verdienen würden. Deshalb kommt es oft zu Medikamenten-Engpässen. Apotheken haben viele Medikamente nicht da und müssen oft für die Patient:innen Alternativen finden.

"Das geht über Blutdruckmittel, Psychopharmaka, Insuline. Ich weiß gar nicht, wie viele Patienten wir in den letzten Wochen umgestellt haben mit Insulin. Dadurch wird die Versorgung ja nicht besser. Derjenige muss kapieren, wie das neue Spritzschema ist. Das sind häufig ältere Patienten, die sind verunsichert." - Inka Krude, Bochumer Apothekensprecherin

Die Krankenkassen würden außerdem sagen, dass sie zu hohe Preise haben, die sie bezahlen müssen. Sie würden nicht ausreichend für Medikamente aufkommen können. Daran üben die Bochumer Apotheken auch Kritik.

"Dann muss eben aus dem Topf der Krankenkassen überlegt werden: Was muss denn da tatsächlich bezahlt werden? Muss ein Arbeitslosengeld II aus dem Topf der Krankenkasse bezahlt werden? Muss ein Mutterschaftsgeld aus dem Budget der Krankenkasse bezahlt werden? Die Krankenkasse muss für Arzneimittel aufkommen." - Inka Krude

Apotheken in Bochum verringern Öffnungszeiten

Weil die Kosten hoch sind und das Personal fehlt, haben viele Apotheken in Bochum auch schon Konsequenzen gezogen. Sie verringern ihre Öffnungszeiten. Teilweise führen sie eine Mittagspause ein, machen eher zu oder haben sogar den ganzen Samstag geschlossen. So soll der Personalengpass ausgeglichen werden, der unter anderem durch niedrige Löhne und eine zu lange und zu aufwendige Ausbildungszeit bedingt sei. Die Apotheken nutzen dann die geschlossenen Stunden unter anderem für die Büroarbeit. Die Bürokratie rund um die Belieferung und Dokumentation um ein Rezept sei immer aufwendiger. Jede Apotheke kann selbst über ihre Öffnungszeiten entscheiden. Um die medizinische Versorgung müssen sich die Bochumer:innen aber keine Sorgen machen, erklärt Krude. Samstags muss zum Beispiel ein gewisser Prozentsatz an Apotheken in der Stadt offen haben. Sollten sich die Probleme aber nicht lösen, könnte es sein, dass viele Apotheken ganz schließen und die Wege für die medizinische Versorgung für die Patienten länger werden.

Hausarztpraxen in Bochum leiden unter Spar-Politik

Auch die Hausarztpraxen in Bochum stehen vor großen Herausforderungen. Es gebe eine große Spar-Politik in Berlin. Kliniken würden finanziell oft besser von der Politik unterstützt als die Hausarztpraxen. Das führe zu einem Nachwuchs-Problem. Viele junge Ärzt:innen würden sich die Selbstständigkeit nicht mehr zutrauen.

"Viele junge Kolleg:innen würden gerne ambulant arbeiten, aber aus verschiedenen Gründen keine eigene Praxis führen. Das ist die Bürokratie, das ist auch die eigene finanzielle Verantwortung und da ist man teilweise vom Gefühl her allein auf hoher See und Spielball der Gesundheitspolitik." - Christian Deppe, Hausarzt in Weitmar und Vertreter Hausärzteverband Westfalen-Lippe

Unter anderem sei auch der Alltag in den Praxen schwieriger geworden. Die Digitalisierung sei notwendig, würde aber viel mehr Aufwand bedeuten, zum Beispiel bei den elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die Ausstellung dauere seit der Digitalisierung drei Mal so lange als noch unter der Nutzung der Papier-Version. Ärzte wie Christian Deppe aus Weitmar versprechen sich auch keine Verbesserung mit der vollständigen Einführung des elektronischen Rezepts. Aufgrund der grundsätzlich aktuell schwierigen Bedingungen würden viele Hausarztpraxen bei Pensionierungen der Ärzt:innen keine Nachfolge finden. All diese finanziellen und personellen Probleme könnten langfristig dazu führen, dass Hausarztpraxen aussterben und dass es eine Klinik-zentrierte Versorgung gibt, auch im Alltag.

"Dass medizinische Zentren an größeren Kliniken vorgehalten werden. Das, was wir bisher kennen, dass ich eine freie Arztwahl habe, dass ich zum Arzt meines Vertrauens gehe, das wird wahrscheinlich gar nicht mehr so ein. [...] Das deutsche Gesundheitssystem zeichnet sich gerade durch seine wohnortnahe und persönliche Versorgung aus. Ich kenne meine Patienten und auch meine fachärztlichen Kollegen fühlen sich für die Patienten verantwortlich. Wenn Sie als angestellter Arzt in einem medizinischen Großkonzern arbeiten, dann kann es sein, dass die persönliche Bindung verloren geht und auch, dass dann die wirtschaftlichen Interessen des Trägers das ärztliche Handeln vorrangig bestimmen." - Christian Deppe

Von der Gesundheitspolitik in Berlin fehle das klare Statement, die ambulante und Hausarzt-zentrierte medizinische Versorgung zu stärken.

Viel Solidarität in Bochum

Weil viele Bochumer:innen unter anderem durch Medikamenten-Engpässe die Probleme direkt zu spüren bekommen, herrscht eine große Solidarität für den Apotheken- und Hausärzte-Protest. Laut Inka Krude würden viele Patient:innen merken, wie aufwendig die Arbeit in den Apotheken ist und wie sehr das Personal darum kämpfen würde, die Patient:innen gut zu versorgen. Wir von Radio Bochum haben euch gefragt, was ihr von dem Protest und den damit verbundenen Schließungen haltet:

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