VfL Bochum: U21-Trainer Butscher im Interview

Vor ein paar waren noch alle TV-Kameras auf ihn gerichtet, als er den VfL zum Klassenerhalt führte. Jetzt steht Heiko Butscher vor einer neuen Aufgabe. Im Interview mit Günther Pohl erzählt er, was der Wechsel von Bundesliga zu Oberliga für ihn bedeutet.

© VfL Bochum

Das Interview von Günther Pohl mit Heiko Butscher

Heiko, wie oft gehen deine Gedanken noch zu der nervenaufreibenden Relegation zurück und wie bewertest du das Erlebte im Nachhinein?

Ja, das kommt schon noch des Öfteren vor, vor allem wenn man darauf angesprochen wird, was ja auch nicht selten der Fall ist. Da ist es so, dass jeder nochmals seine Gedanken schildert, wie er es selbst erlebt hat, ob er im Stadion war, ob er auf der Couch war, hinter der Couch war, stand, spazieren ging im Park usw. Aber im Endeffekt war es für uns das absolut perfekte Spiel. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber es ist wirklich alles so eingetreten und so gekommen, wie wir uns das vorgestellt haben. Und ja, das wird uns für immer bleiben und auch verbinden. Das, was da passiert ist, das ist in die Geschichte eingegangen.

 Die Monate zuvor waren für deine Familie nicht immer leicht. Ob auf der Straße oder in den sozialen Medien saht ihr euch bösen Anfeindungen ausgesetzt. Sind die Narben schon verheilt?

Nein, ich muss sagen, diese Erfahrungen bleiben. Aber ich versuche es wirklich nicht persönlich zu nehmen, was nicht einfach ist. Aber ich habe mir das auf die Fahne geschrieben, das nicht, wie gesagt, persönlich zu nehmen. Ich habe in dieser Zeit sehr viel über Menschen gelernt, wie sie im Erfolgsfall, aber auch in der Krise reagieren. Der Marc Kruska und ich hatten es von Anfang an nicht leicht. Wir haben uns in einer absoluten Negativphase bereit erklärt, die Mannschaft zu übernehmen und dem VfL Bochum zu helfen, dem Verein zu helfen. Und ich hätte mir gerade in der entscheidenden Phase am Schluss einfach mehr Unterstützung und auch Vertrauen gewünscht für zwei junge Trainer, die sich für den VfL klar verschrieben haben und die aus dem eigenen Stall kommen. Und ja, wenn man das einfach rational bewertet, am Ende haben wir insgesamt acht Spiele betreut und da einen Punkteschnitt von zehn geholt. Ich glaube, wenn man das hochrechnet, weiß man, wo man vielleicht gelandet wäre. Und das finde ich in so einer absoluten Stresssituation absolut okay. Und schlussendlich ging es um den Klassenhalt. Und wie gesagt, den haben wir zusammen geschafft und deshalb ist alles okay.

Seit einer Woche trainierst du die neue U21 des VfL. Eine sicher spannende Aufgabe?

Ja, seit einer Woche trainieren wir jetzt die U21. Wir freuen uns riesig drauf oder wir haben uns auch riesig drauf gefreut, obwohl die Zeit dahin einfach sehr, sehr kurz war zwischen der Relegation und jetzt dem Neuanfang der U21 waren gerade mal neun Tage, kaum Zeit zur Erholung. Aber wir wollten die Jungs jetzt auch nicht im Stich lassen, weil es eine neue Mannschaft ist, wo ich mich auch sehr, sehr dafür eingesetzt habe, dass diese Mannschaft kommt, weil sie eminent wichtig ist, gerade für den Übergangsbereich. Und ja, wir versuchen jetzt uns einfach erstmal zu finden, einen sehr, sehr guten Eindruck von allen Jungs zu bekommen. Und Marc und ich haben da jetzt richtig Spaß dran und freuen uns einfach mit frischen Gesichtern, mit hochmotivierten Jungs diese spannende Aufgabe anzugehen.

Wie sind deine ersten Trainingseindrücke? Was habt ihr da für eine Mannschaft auf die Beine gestellt?

Ja, die ersten Trainingseindrücke waren sehr gut. Es sind alle bis jetzt durchgekommen. Wir haben keine Verletzungen, niemand, der in irgendeiner Weise gefehlt hätte. Und ich glaube, wir haben eine sehr spannende Mannschaft, gerade aus unseren eigenen Talenten, wo wir sehr viel aus der eigenen U19 mit hochgezogen haben. Wir haben spannende Jungs, die sehr viel Potenzial mitbringen und die jetzt den nächsten Schritt gehen müssen im Seniorenfußball, der einfach komplett anders ist. Also da muss man einfach ehrlich sein. Seniorenfußball, das ist nochmal was anderes. Das wird auch den Jungs relativ schnell, ja, oder die werden es relativ schnell merken, dass dann nochmals andere Komponenten einfach dazukommen, die im Jugendfußball beziehungsweise U17, U19-Alter noch nicht so da sind. Ja, wir haben erfahrene Leute dazubekommen, die auch schon Oberliga beziehungsweise Regionalliga gespielt haben, die aber alle entweder hier auch schon ausgebildet wurden, schon erste Erfahrungen gesammelt haben mit dem VfL, sodass wir auch da einen ganz klaren Bezug haben, die wirklich das Wappen sehr, sehr gerne tragen und sich dafür entschieden haben, ja, den VfL mit diesem Projekt einfach zu unterstützen und da eine gute Runde zu spielen, den jungen Spielern dann auch zu helfen. Ja, und dann auch vielleicht diese Chance sehen, nach oben zu kommen, in dem eigenen Verein hier in der Bundesliga vielleicht noch eine Rolle zu spielen oder sich dann auch für einen anderen Verein zu empfehlen, für höherklassige Aufgaben zu empfehlen. Das wird sicherlich wichtig sein. Wie wir spielen wollen, ja, wir werden sehen. Aber wer mich kennt, weiß, dass wir immer eine sehr komplexe Spielweise haben, dass ich sehr viel Wert auf ästhetischen Fußball lege, dass wir gute Lösungen haben, egal in welchen Spielphasen wir uns befinden. Und ich glaube, man wird einen ganz guten Fußball sehen bei uns. Das dauert zwar noch eine Zeit, weil wir uns auch sehr schnell erstmal adaptieren müssen und uns dran gewöhnen müssen, was hinter der Oberliga überhaupt gefragt ist, gerade mit sehr, sehr vielen jungen Spielern. Da müssen sie erstmal ihre Erfahrung machen. Aber es ist eine super spannende Aufgabe und, wie gesagt, wir sind hochmotiviert.

Noch wehrt sich ein Großteil der Konkurrenz gegen eure Eingliederung in die Oberliga. Belastet euch das?

Nein, das belastet uns überhaupt nicht. Wir gehen klar davon aus, dass wir in der Oberliga starten. Das wurde ja schon auch so kommuniziert. Und wir konzentrieren uns auf den Fußball, auf das, was wir beeinflussen können. Und wir sind hochmotiviert und geben Gas und gehen klar davon aus, dass wir in der Oberliga starten.

Mal erwartet euch Rasen, mal Kunstrasen. Da ist es sicherlich hilfreich, dass einige deiner Spieler die Liga schon kennen?

Ja, das sind auch Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Aber das kennen wir auch schon aus der U17, U19, dass wir auch gerade bei unserem Talentwerk immer mal wieder auf dem Kunstrasen trainieren, gerade in den Wintermonaten und dann auf dem Rasen. Natürlich ist das nicht optimal. Man muss sich immer relativ schnell anpassen an den Untergrund. Auch was Verletzungen angeht, ist es einfach ein Unterschied, ob du auf einem weichen Rasen trainierst und am nächsten Tag dann wieder auf einem relativ harten Kunstrasen. Auch da müssen wir uns relativ schnell dran gewöhnen. Aber das werden wir. Und grundsätzlich ist es so, dass wir eher auf einem guten Kunstrasen spielen wollen und auch können. Da sind die technischen Voraussetzungen, die wir mitbringen, einfach doch nochmal ein großes Faustpfand. Aber wir werden uns auch darauf einstellen müssen, dass wir auf Rasenplätzen spielen, die jetzt nicht fürs Fußballspielen gemacht sind. Aber das ist Oberliga Westfalen, es soll keine Ausrede sein. Wir nehmen das genauso an, wie es kommt. Und dann werden wir auch für alles vorbereitet sein.

Wäre es vermessen gleich den Aufstieg zu erwarten? Wie definierst du eure Ziele?

Ja, den Aufstieg als Ziel auszuheben, ich glaube, das wäre absolut vermessen. Wir müssen erstmal demütig bleiben und uns an diese Oberliga gewöhnen. Weil das wird auch eine ganz große Umstellung werden. Wir hatten ja auch schon viele Testspiele mit der U19 gegen Oberligamannschaften. Und da haben wir schon gesehen, dass es eine große Herausforderung ist, auch gerade was den Ligabetrieb dann angeht. Testspiele sind Testspiele, Ligabetrieb ist nochmal was anderes. Ich glaube, dass gerade die Vereine besonders motiviert sind, gegen uns zeigen zu wollen, wo der Hammer hängt. Und da müssen wir erstmal reinkommen, ankommen, uns komplett wehren, uns einstellen, was wichtig ist. Aber genau um das geht es halt. Man muss sich dann durchsetzen. Und gerade von der Körperlichkeit her wird das schon eine große Umstellung werden. Aber das werden wir schaffen. Und deshalb schauen wir jetzt erstmal, dass wir sicher drinbleiben, dass wir diese Klasse halten und dass wir dann eine gute Rolle spielen können. Es geht auch da immer noch um die Weiterentwicklung unserer Spieler. Da sind sehr viele spannende Profile dabei. Wir wollen sie fit machen für höhere Aufgaben. Das ist das Hauptziel. Aber wir wollen auch so eine gute Rolle spielen.

5.000 Fans bei der Verabschiedung nach Berlin, jetzt ein paar Spaziergänger beim Training. Das ist schon eine andere Welt, oder?

Ja, sollten wir so eine Zuschauerzahl mal bei der U23 hinbekommen, wissen wir, dass wir eine sehr, sehr, sehr gute Runde gespielt haben. Aber das ist ja ganz normal. Das ist doch klar. Das ist immer noch Nachwuchsfußball. Die erste Mannschaft hat den absoluten Fokus, die absolute Priorität. Und das war eine ganz, ganz tolle Sache. Die Fans haben uns immer getragen, unterstützt. Das war ein ganz, ganz wichtiger Faktor. Und ja, jetzt wird es wieder etwas ruhiger. Da kann man aber auch in Ruhe arbeiten. Man wird nicht jeden Tag konfrontiert mit irgendwelchen Meinungen. Und das ist auch ganz gut. Dann haben die jungen Spieler einfach Zeit, sich in Ruhe zu entwickeln.

Wird es zwischen den Profis und der U21 einen Spieleraustausch geben?

Ja, das war ja auch ein großer Faktor, warum wir diese U21 beziehungsweise U23 wieder einführen wollten. Damit gerade die jungen Spieler, die etwas weniger Spielpraxis in der ersten Liga bekommen, einfach die Chance haben, am Wochenende das nachzuholen, was sie verpasst haben, auf gutem Niveau. Und dass sie Spielpraxis brauchen, das ist ja ganz klar. Das ist einfach ein Riesenfaktor, den wir in den letzten Jahren einfach nicht hatten. Und somit können wir den Spielern die Plattform bieten. Jetzt muss man erst mal schauen, es kommt ein neuer Trainer. Ich kenne ihn nicht, wir haben uns noch nicht ausgetauscht. Ich weiß nicht, wie er das sieht, wie der Kader dann schlussendlich auch auszusehen hat. Wir haben extra einen sehr, sehr kleinen Kader geplant, damit genau das passieren kann, dass die Spieler, die wie gesagt weniger Spielpraxis haben, dann zu uns kommen und dort ihre Minuten bekommen. So wie von der U19, dass dort Leistungsträger, die richtig gute Leistungen bringen, nach oben geschoben werden, weil sie diese Plattform dann einfach haben. Aber lassen wir uns überraschen. Mal sehen, wie das der neue Trainer dann sieht.

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