«Mitternachtshammer»: USA bombardieren Irans Atomanlagen
Veröffentlicht: Sonntag, 22.06.2025 16:38

Krieg in Nahost
Washington/Teheran (dpa) - Die USA haben nach eigenen Angaben die unterirdischen iranischen Atomanlagen mit 14 der massiven bunkerbrechenden Bomben des Typs GBU-57 angegriffen. Diese seien bei dem Einsatz unter dem Codenamen «Mitternachtshammer» auf die stark gesicherte Uran-Anreicherungsanlage Fordo und in Natans abgeworfen worden, sagte Generalstabschef Dan Caine auf einer Pressekonferenz. Zudem seien Atomanlagen in Isfahan von einem U-Boot aus mit Marschflugkörpern beschossen worden.
Ausmaß der Schäden noch nicht genau bekannt
Wie groß die erzielten Schäden seien, werde zurzeit geprüft, betonte Caine. Der oberste Militär der USA widersprach damit indirekt US-Präsident Donald Trump, der kurz nach den Angriffen von einer völligen Zerstörung gesprochen hatte. Strahlung wurde nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA nicht freigesetzt. Auch Tote gab es iranischen Angaben zufolge nicht.
Irans staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete, ein Teil des Bereichs um die tief unter einem Gebirgsmassiv gelegene Anlage Fordo sei beschädigt worden. Nach Angaben des iranischen Außenministers Abbas Araghtschi ist der Iran noch damit beschäftigt, die genauen Schaden zu untersuchen.
Verteidigungsminister Pete Hegseth: Trump wollte friedliche Lösung
Trump hätte nach Worten von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth eine friedliche Lösung des Konflikts mit dem Iran bevorzugt. Doch die Iraner hätten gemauert, sagte Hegseth vor Journalisten in Washington. Trump hatte eine «bedingungslose Kapitulation» der Führung in Teheran und ein völliges Ende der Urananreicherung gefordert, was der Iran ablehnte. Israel bombardiert den Iran seit dem 13. Juni, weil das Land nach Darstellung Jerusalems kurz vor der Erlangung einer Atombombe gestanden habe.
Bei einer Ansprache im Weißen Haus kurz nach den Angriffen drohte Trump dem Iran mit weiteren Schlägen, falls Teheran nicht einen Weg des Friedens einschlagen sollte. «Wenn der Frieden nicht schnell kommt, werden wir die anderen Ziele mit Präzision, Schnelligkeit und Geschick angreifen, die meisten von ihnen können in wenigen Minuten ausgeschaltet werden.» Das Ziel der USA sei die Zerstörung der iranischen Kapazitäten zur Anreicherung gewesen und die Beendigung der nuklearen Bedrohung durch den «weltweit größten staatlichen Sponsor des Terrors», erklärte Trump.
USA nach Angriffen: Sind weiter gesprächsbereit
Die USA sind nach dem Schlag gegen den Iran nach eigenen Angaben offen für Gespräche. Hegseth sagte auf die Nachfrage eines Journalisten nach diplomatischen Möglichkeiten: Er könne nur bestätigen, dass öffentliche und private Nachrichten an die Iraner über mehrere Kanäle geschickt worden seien - um ihnen die Möglichkeit zu geben, an den Verhandlungstisch zurückzukommen. Es sei bei den US-Angriffen nicht um einen Sturz der Führung in Teheran gegangen, betonte Hegseth. Bis vor kurzem hatten die USA über längere Zeit mit dem Iran über das Atomprogramm verhandelt.
Irans Außenminister: USA verstehen nur Sprache der Gewalt
Der Iran drohte umgehend mit Konsequenzen. Außenminister Araghtschi sprach auf X von «dauerhaften Folgen». Raum für Diplomatie sehe er kaum noch. Die Tür zur Diplomatie solle immer offen gehalten werden, «doch das ist derzeit nicht der Fall», sagte Araghtschi in Istanbul vor Journalisten. «Sie verstehen nur die Sprache der Drohung und der Gewalt», sagte er unter Bezug auf die USA. Araghtschi hatte zuletzt noch mit den USA über das Atomprogramm verhandelt.
Das US-Militär hatte bisher nur Israel bei der Verteidigung unterstützt, aber betont, dass man nicht an den Kampfhandlungen zwischen Israel und dem Iran beteiligt sei. Das hat sich jetzt geändert – mit unvorhersehbaren Folgen.
Irans mächtige Revolutionsgarden, die Elitestreitmacht des Landes, feuerten erneut Dutzende Raketen auf Israel. Es gab erhebliche Schäden, nach Angaben der Armee wurden 240 Gebäude mit rund 2.000 Wohnungen beschädigt. 23 Menschen seien verletzt worden, davon einer mittelschwer. Rund 9.000 Menschen hätten ihr Zuhause verloren. Israel flog unterdessen neue Angriffe auf Ziele im Westen des Irans.
USA haben viele Soldaten in der Region stationiert
Ob der Iran Vergeltung üben wird, bleibt abzuwarten. Auf den Stützpunkten des US-Militärs in der Region – etwa im Irak, in Katar oder in Kuwait – sind US-Medien zufolge insgesamt gut 40.000 Soldaten stationiert. Fraglich war jedoch, ob der Iran nach den massiven Raketenangriffen auf Israel und den starken Zerstörungen von Abschussrampen und Raketenlagern sowie -produktionsstätten durch die israelische Luftwaffe überhaupt noch in der Lage ist, größere Angriffe zu führen.
Iraner haben die US-Bomber offenbar erst bemerkt, als es krachte
Caine betonte, die insgesamt 125 an den nächtlichen Angriffen beteiligten US-Flugzeuge seien offenbar von der iranischen Luftabwehr gar nicht wahrgenommen worden. Es sei nicht ein Schuss der Iraner auf die Flugzeuge registriert worden. Die israelische Armee hatte schon vor Tagen betont, dass sie über weiten Teilen des Irans inzwischen die Lufthoheit besäßen.
Internationale Besorgnis wegen möglicher Ausweitung des Krieges
Nach den US-Angriffen auf die Atomanlagen im Iran wächst international die Sorge vor einer dramatischen Eskalation des Krieges. Westliche Länder sowie die UN und die Atomenergiebehörde IAEA forderten zur Entschärfung der Lage und einer diplomatischen Lösung auf. Dem Iran näherstehende Länder wie China und Russland verurteilten das amerikanischen Vorgehe scharf. Auch Irans verbündete Milizen in der Region wie die Hisbollah im Libanon oder die Huthis im Jemen verurteilten die US-Angriffe, beließen es aber zunächst bei Worten.
Auch arabische Länder verurteilten den Angriff. Der Libanon äußerte die Sorge, in den Krieg hineingezogen zu werden. Unklar ist, wie eine Vergeltung des Irans aussehen könnte – und auch ob die USA weitere Angriffe fliegen würden.
Bundesregierung geht von großen Schäden aus
Die Bundesregierung geht nach Angaben von Regierungssprecher Stefan Kornelius davon aus, dass durch die Angriffe große Teile des iranischen Nuklearprogramms beeinträchtigt wurden. Eine «genaue Schadensanalyse» zu den US-Luftangriffen sei aber erst später möglich.
Aus Regierungskreisen war zu erfahren, dass Merz am Vormittag mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer in einer Schalte über die Eskalation im Krieg zwischen Israel und dem Iran beraten wollte. Regierungssprecher Kornelius teilte außerdem mit, dass Merz und die Minister des Sicherheitskabinetts sich im Laufe des Tages mit den Partnern in der EU und mit den USA über weitere Schritte eng abstimmen wollten.
UN-Chef warnt vor katastrophalen Folgen für die Welt
Die internationale Gemeinschaft rief zu sofortiger Deeskalation auf. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich nach den US-Angriffen «zutiefst beunruhigt» und warnte vor katastrophalen Folgen für die Welt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dringt auf eine diplomatische Lösung. «Jetzt ist der Moment für den Iran gekommen, sich auf eine glaubwürdige diplomatische Lösung einzulassen», schrieb von der Leyen auf der Plattform X. Auch Großbritanniens Premier Keir Starmer sieht den Iran in der Pflicht zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch. Dem Iran dürfe niemals gestattet werden, eine Atomwaffe zu entwickeln, und die USA hätten Maßnahmen ergriffen, um diese Bedrohung einzudämmen. EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas warnte vor einer weiteren Eskalation.
Unionsfraktionschef Jens Spahn sah nach den US-Angriffen sogar eine Chance auf Frieden im Nahen Osten. «Das iranische Regime will Israel vernichten, den Nahen Osten dominieren und unterstützt aktiv den russischen Kriegstreiber. Eine Zerstörung des iranischen Atomprogramms bietet die Chance, der Region und den Menschen dauerhaft Stabilität und Frieden zu bringen», schrieb der CDU-Politiker auf X.
Israelisch-iranischer Krieg bedeutende Eskalation in der Region
Der Krieg zwischen den beiden Erzfeinden Israel und Iran ist eine bedeutende Eskalation der ohnehin dramatischen Lage im Nahen Osten. Israel führt seit dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober 2023 Krieg gegen die Islamisten im Gazastreifen. Zwischenzeitlich bombardierte Israel auch die mit dem Iran verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon, die Huthis im Jemen und bestimmte Ziele in Syrien.




