Türkischer Oppositionschef bleibt im Amt

Özgür Özel
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Druck auf Opposition

Ankara (dpa) - Ein türkisches Gericht hat ein zentrales Verfahren gegen die größte türkische Oppositionspartei CHP über die Annullierung eines Parteitags von 2023 abgewiesen. In dem Prozess hatte dem Parteichef Özgür Özel die Absetzung gedroht. Das Gericht in Ankara entschied nun, das Verfahren sei gegenstandslos, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Fast zeitgleich aber werden neue Vorwürfe bekannt. 

Das Verfahren, das ein ehemaliges Parteimitglied angestrengt hatte, hielt die Partei monatelang in Atem. Darin ging es um die Frage, ob Delegierte bestochen wurden, um für Özel zu stimmen. Die CHP-Parteiführung wies die Vorwürfe zurück. Ob das Verfahren nun tatsächlich am Ende steht, ist unklar. Die Gegenseite hat bereits Einspruch angekündigt. 

Seit Monaten sieht sich die CHP einer juristischen Offensive ausgesetzt, die bereits zur Festnahme Hunderter ihrer Mitglieder und der Verhaftung von 17 ihrer Bürgermeister führte. Gleichzeitig schwelen parteiinterne Machtkämpfe zwischen dem Lager um Parteichef Özel und dessen Vorgänger Kemal Kilicdaroglu, dem weiterhin Ambitionen nachgesagt werden.

Neue Vorwürfe gegen Imamoglu

Der prominenteste festgenommene Vertreter der Partei ist der abgesetzte Bürgermeister Ekrem Imamoglu. In seinem Fall wurden am Morgen neue Vorwürfe in Zusammenhang mit Spionage bekannt.

Anadolu berichtete unter Berufung auf die Istanbuler Staatsanwaltschaft, mehreren Personen werde vorgeworfen, in einer «kriminellen Organisation Imamoglus» etwa für ausländische Geheimdienste gearbeitet und illegale Mittel für vergangene Wahlen und eine mögliche Präsidentschaftskampagne gesammelt zu haben. Die Vorwürfe richten sich auch gegen einen bekannten oppositionsnahen Journalisten, der am Morgen festgenommen wurde. 

Imamoglu wies die Anschuldigungen empört von sich: «So eine Lüge würde nicht einmal dem Teufel einfallen», ließ Imamoglu über die Plattform X mitteilen.

Droht Istanbul ein Zwangsverwalter?

Imamoglu war im März in Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen verhaftet worden. Anklage wurde bislang nicht gegen ihn erhoben. Die CHP sieht in dem Vorgehen den politisch motivierten Versuch der Regierung, die Partei zu destabilisieren. Die Regierung weist den Verdacht mit der Begründung zurück, dass die Gerichte des Landes unabhängig seien. Internationale Organisation und auch die EU-Kommission stellen die allerdings infrage.

Imamoglu gilt als aussichtsreicher Kandidat bei einer künftigen Präsidentschaftswahl. Seine Partei CHP war zudem 2024 überraschend als landesweit stärkste Kraft aus den Kommunalwahlen hervorgegangen - was viele als mögliche Vorstufe zu einer Ablösung der AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer künftigen Parlaments- und Präsidentschaftswahl deuteten.

Die Journalistin Nevsin Mengü kommentierte die neuen Vorwürfe: «Es scheint, dass Imamoglu, selbst wenn er in einem Fall freigesprochen wird, in einem anderen Fall in Haft bleiben wird.» Der politische Analyst Berk Esen schrieb auf X, die Spionageermittlungen könnten ein Verfahren auslösen, das zur Ernennung eines Zwangsverwalters in Istanbul führen könnte.

Kritiker werfen Erdogan vor, zunehmend autokratisch zu regieren. Auch gegen Medienschaffende, Künstler und Aktivisten ging die türkische Justiz in den vergangenen Monaten verstärkt vor.

© dpa-infocom, dpa:251024-930-202111/3

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