Bochum: Kollektivbetrieb arbeitet ohne Chef:in

Ein neuer Kollektivbetrieb aus der Bochumer Innenstadt arbeitet ohne Vorgesetzte:n. Alle Mitarbeiter:innen sind als Kollektivmitglieder gleichberechtigt. Sie treffen alle Entscheidungen gemeinsam. Wie das funktioniert und wie sich das auf die Arbeit auswirkt, lest ihr hier.

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Bochumer Kollektivbetrieb: Alle sind gleichberechtigt

In Bochum gibt es einen neuen Kollektivbetrieb. Der heißt "Vereinte Kräfte" und bietet Haushaltshilfen für kranke und beeinträchtige Menschen an. Der Betrieb arbeitet ganz ohne Chef:in. Alle fünf Kollektivmitglieder arbeiten ohne Hierarchien, auf dem Papier sind alle Geschäftsführer:innen. Sie bekommen alle das gleiche Gehalt, organisieren gemeinsam und treffen zusammen wichtige Entscheidungen. Im Sinne der Effizienz sind einzelne Aufgabenbereiche darüber hinaus aufgeteilt, zum Beispiel in den Bereichen der Buchhaltung und der IT. Für Kollektivmitglied Miriam Hoppe ist das genau die richtige Art zu arbeiten.

"Geht mir irgendwas gegen den Strich, dann fühle mich nicht so, als würde ich mit Kritik vor meine Chefin treten und muss eine Entlassung fürchten. Dann haben wir einen Punkt, den wir klären müssen, wo wir zu einem Ergebnis kommen müssen, damit wir miteinander weitergehen können." - Miriam Hoppe, Kollektivmitglied "Vereine Kräfte"

Der Kollektivbetrieb setzt bei seiner Arbeit vor allem auf Transparenz. Zum Beispiel die Dienstplanung ist in vielen Betrieben ein schwieriges Thema. Konflikte darüber will das Kollektiv darüber lösen, dass alle die Vorgänge der Dienstplanung kennen und Verständnis haben.

"Dadurch, dass möglichst alle von uns Einblicke darin bekommen sollen, wie eine Dienstplanung abläuft und die bestenfalls auch mal machen, stellen wir uns vor, dass alle wissen, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden." - Fabian Kamphausen, Kollektivmitglied "Vereinte Kräfte"

Die Transparenz soll für mehr Zufriedenheit im Team und darüber hinaus für eine bessere Arbeitsqualität sorgen. Durch die Identifikation der Kollektivmitglieder und die verbesserte Motivation soll die Qualität der geleisteten Arbeit in den Haushalten steigen.

Finanzielles Risiko beim Bochumer Kollektivbetrieb

Finanziell ist der Bochumer Kollektivbetrieb ein Risiko für die Mitglieder. Alle bekommen 15 Euro pro Stunde und sind davon abhängig und dafür verantwortlich, dass das Geschäft läuft. Das wird sich auch erst im Laufe der Zeit herausstellen. Das Geschäft läuft erst seit gut zwei Wochen Das finanzielle Risiko ist also noch lange nicht ausgestanden. Große Sorgen machen sich Mitglieder, wie Miriam Hoppe, aber nicht.

"Ich gehe dieses Risiko gerade gerne ein. Ich bin auch überzeugt davon, dass das funktioniert. Da kommt uns zugute, dass die Nachfrage einfach groß ist. Es gibt viele Menschen, die Unterstützung brauchen und dann kommen wir." - Miriam Hoppe, Kollektivmitglied "Vereinte Kräfte"

So ist der Kollektivbetrieb entstanden!

Die Idee zu dem gleichberechtigten Unternehmenskonzept kam von zwei Kollektivmitgliedern. Als Erzieher und als Regionalstellenleiterin haben sie in angestellten Positionen gearbeitet, wollten langfristig aber etwas anderes machen und in einem anderen System arbeiten.

"Für mich ist es, ein bisschen altmodisch dargestellt, ich will weder Sklave noch Herr sein. Ich will weder die haben, die über mir stehen und über mich entscheiden können, genauso wenig will ich über andere entscheiden." - Fabian Kamphausen, Kollektivmitglied "Vereinte Kräfte"

Die Gründung des Kollektivs hat zwei Jahre gedauert. Die war nicht immer einfach. Unter anderem musste die Gründung über ein Crowdfunding realisiert und finanziert werden. Probleme hat es darüber hinaus vor allem bei der Personalsuche gegeben. Da alle Mitarbeiter:innen gleichberechtigt arbeiten und entscheiden, musste das Personal besonders aufwendig ausgesucht werden. Dabei wurden öfters potentielle Mitarbeiter:innen kennengelernt und eingearbeitet, mit denen es von der einen oder der anderen Seite am Ende doch nicht gepasst hat. Das hat viel Zeit in Anspruch genommen, die im Nachhinein besser in andere Dinge hätte investiert werden können.

"Vereinte Kräfte" bietet Hilfe im Haushalt

Der Kollektivbetrieb "Vereinte Kräfte" hilft Menschen im Haushalt, die krank oder beeinträchtigt sind. Zum Beispiel durch eine Operation, eine Schwangerschaft oder eine langfristige Krankheit. Diese Menschen müssen Anspruch auf Haushaltshilfe über die Krankenkasse haben. In Fällen von Schwangerschaft und Entbindung trägt die Krankenkasse die gesamten Kosten. In anderen Fällen müssen Zuzahlungen an die Krankenkasse geleistet werden. Pro geleistetem Arbeitstag sind das fünf bis zehn Euro. Das Team berät auch im Vorfeld zu der genannten Dienstleistung und hilft bei der Beantragung einer Haushaltshilfe. Die Infos dazu bekommt ihr auf der Internetseite vom Kollektivbetrieb. Der Betrieb sucht auch noch weitere Mitglieder. Ihr könnt euch hier als potentielles Kollektivmitglied melden.

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